Unterlassene Befunderhebung mittels Computertomographie trotz Verdachts eines Bronchialkarzinoms
Prozesserfolg vor dem Landgericht Münster – Arzthaftung / Behandlungsfehler: Unterlassene Befunderhebung mittels Computertomographie trotz Verdachts eines Bronchialkarzinoms
Die Ehefrau unseres Mandanten litt zu Beginn des Jahres 2013 an einem länger anhaltenden Husten, aufgrund dessen zunächst ein Röntgenbefund des Thorax erhoben wurde, welcher ein unklares zentrales Infiltrat im Bereich des rechten Mittelfeldes aufzeigte. Zur genaueren Bestimmung wurde mit Datum vom 25.01.2013 ein weiterer CT-Befund erhoben, nach welchem seitens des Radiologen ein tumoröser Prozess differenzialdiagnostisch nicht sicher ausgeschlossen werden konnte. Es wurde sodann die „röntgenologische Kontrolle“ nach Therapie einer vermuteten Lungenentzündung gegenüber dem Hausarzt für erforderlich beschrieben. Selbiger überwies die Patientin zu entsprechenden Kontrollen (Februar/April/Juni) wiederkehrend an dieselbe Radiologie, von wo aus jedoch stets und lediglich Röntgenbilder des Thorax angefertigt wurden, welche eine Bewertung des zentralen Mittelfeldes zudem überhaupt nicht mehr beinhalteten. Aufgrund der anhalten Beschwerden begab sich die Ehefrau unseres Mandanten daher im weiteren Verlauf in eine pneumologische Facharztpraxis, von wo aus unverzüglich eine CT-Diagnostik des Thorax veranlasst wurde. Diese bestätigte ein Bronchialkarzinom, welches zwischenzeitlich metastasiert war. Nach erheblichem Krankheitsverlauf verstarb die Ehefrau unseres Mandanten sodann an den Folgen der Krebserkrankung.
Bereits vorgerichtlich bestätigte die Gutachterkommission für Arzthaftpflichtfragen unter Einholung zweier radiologischer Sachverständigengutachten die eindeutige Behandlungsfehlerhaftigkeit der gegnerischen Radiologie, als dass die weitere Verlaufskontrolle nur mittels einer konventionellen Röntgendiagnostik durchgeführt wurde und eine schriftliche Bewertung des suspekten Mittelfeldes ausblieb. Vielmehr hätte es der Erhebung von CT-Befunden bedurft, welche bei entsprechender Durchführung einen reaktionspflichtigen Befund aufgezeigt hätten. Wie sich die gesundheitliche Situation bei frühzeitiger Erkennung der Krebserkrankung dargestellt hätte, vermochte die Gutachterkommission indessen nicht zu bewerten. Gestützt hierauf schlug die gegnerische Partei eine Haftungsanerkennung aus. Im gerichtlichen Verfahren bestätigte sich jedoch erneut das Vorliegen eines sog. Befunderhebungsfehlers im Sinne des § 630 h Abs. 5 Satz 2 BGB, so dass im Wege der Beweislastumkehr zu vermuten war, dass der eingetretene Schaden Folge der unzureichenden Befunderhebung war.
Anmerkungen von RA Gilsbach:
Hinter Ärzten stehende Haftpflichtversicherungen unterstellen oftmals zu Unrecht, dass stets der betroffene Patient bzw. dessen Hinterbliebenen den Behandlungsfehler/eine Aufklärungspflichtverletzung, den eingetretenen Schaden sowie die dazwischenliegende Ursächlichkeit vollumfänglich zu beweisen haben. Auch zum Nachteil unseres Mandanten wurde daher die Unklarheit hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Krebserkrankung ausgelegt und als haftungsablehnender Grund herangezogen. Dabei verkannte die Haftpflichtversicherung jedoch – ob bewusst oder unbewusst -, dass aufgrund des bestätigten Befunderhebungsfehlers eine Beweislastumkehr in Bezug auf die Ursächlichkeit stattfand. Dementsprechend hatte der gegnerische Radiologe zu beweisen, dass der Krankheitsverlauf derselbe gewesen wäre, hätte man die Krebserkrankung frühzeitiger erkannt. Da ein entsprechender Beweis schwer zu führen war, konnten sich die Parteien im Rahmen des sodann erforderlich gewordenen Prozesses zur Vermeidung eines längeren Rechtstreits auf einen Vergleichsbetrag in Höhe von 35.000,00 € einigen.